NEU: Chiemgau Karte jetzt auch in Siegsdorf
Luftbild-Siegsdorf
© © TI Siegsdorf / Siegfried Kerscher

Zusammenschluss der Einzelgemeinden zur heutigen Gemeinde Siegsdorf

Seit mittlerweile über 50 Jahre gehören Eisenärzt, Vogling und der südliche Hochberg zur Gemeinde Siegsdorf
 

Bereits Ende der 1960er Jahre war es für kleine Gemeinden immer schwieriger geworden die ständig ansteigenden Anforderungen im Verwaltungsbereich zu erfüllen und ausreichend geschultes Personal zu erhalten und zu finanzieren. Der stetig wachsenden Flut von Gesetzen und Rechtsverordnungen und der damit verbundenen Bürokratisierung begegnete man von Seiten der Bay. Staatsregierung mit Plänen für eine umfassende Gemeinde-Gebietsreform, die 1970 auf denWeg gebracht wurde. Kleineren Gemeinden wurde dabei nahegelegt sich freiwillig größeren Verwaltungseinheiten anzuschließen, wobei dazu auch mit entsprechenden Zuschüssen und Fördermitteln gelockt wurde. Die Meinungen der Bevölkerung in den betroffenen Gemeinden gingen dazu allerdings meist weit auseinander. Dies führte vielerorts zu massiven Streitigkeiten quer durch die Parteien,Vereine und sogar Familien. Die Gemeinde Siegsdorf konnte sich im Zuge der Reform und ihrer Auswirkungen zu einer großen und leistungsstarken Gemeinde weiterentwickeln.

Zum 1. Januar 1972 erfolgte die Eingemeindung von Eisenärzt, zum 1. Juli 1972 gliederten sich die südlichen Teile der Gemeinde Hochberg ein und ebenfalls zum 1. Juli 1972 wurde die »Eingliederungs-Vereinbarung« mit der Gemeinde Vogling wirksam. Abgeschlossen wurde die umfassende Gebietsreform für Siegsdorf dann zum 1. Mai 1978 mit der von der Regierung verordneten Eingliederung der Gemeinde Hammer und Teilen der Gemeinde Haslach.

Eingemeindung von Eisenärzt am 1. Januar 1972

Auch die Gemeinde Eisenärzt stand vor der Frage: »Selbstständig bleiben – oder Anschluss an eine Nachbargemeinde?« Die damaligen Gemeinderäte Josef Bichler, Anton Birnbacher, Engelbert Dufter, Josef Knerr, Johann Looshorn, Theo Scheck, Josef Schürf, Otto Stadler und Erich Wostrak, sowie die Bürgermeister Georg Bichler und Jörg Wimmelmann waren sich bald einig darüber, dass eine selbstständige Gemeinde Eisenärzt wohl nicht mehr möglich war. Die Entscheidung: »Eingemeindung nach Siegsdorf oder Ruhpolding« wollte man jedoch den 798 wahlberechtigten Bürgern im Rahmen einer Abstimmung überlassen, die am 25. April 1971 stattfand. Der Erhalt der Selbstständigkeit stand dabei nicht zur Debatte, man wollte durch einen freiwilligen Anschluss die in Aussicht gestellten Gelder abschöpfen. Um die Stimmung in den verschiedenen Ortsteilen besser einschätzen zu können wurde in zwei Bezirken abgestimmt. Im Bezirk I (Eisenärzt und Hörgering) stimmten 323 Wahlberechtigte für Siegsdorf (58 %) und 235 (42 %) für Ruhpolding. In den Ortsteilen Scharam und Höpfling (Bezirk II) hingegen votierten 99 Wähler (80 %) für Siegsdorf und 24 (20 %) für Ruhpolding. Von den 681 abgegeben Stimmen (Wahlbeteiligung 85,3 %) entschieden sich also 422 für Siegsdorf und 259 für Ruhpolding.

Harter Wahlkampf vor der Abstimmung

Im Vorfeld der Abstimmung war es zu einem regelrechten »Wahlkampf« der beiden Lager gekommen, bei dem es teilweise nicht gerade zimperlich zuging. Die Gruppen, eine für Ruhpolding, die andere für Siegsdorf, warben mit Handzetteln, Plakaten und verschiedensten Parolen für ihren Favoriten, wobei man zum Teil auch vor Diffamierungen und Falschaussagen nicht zurückschreckte. Es wurden die Themen Gemeindesteuern und kürzere Amtswege ebenso ins Spiel gebracht wie Friedhof, Kindergarten und Hundesteuer. Ein besonders umkämpftes Thema waren auch die Vereine und der Sport. Die sportliche Jugend wollte sich nach Ruhpolding orientieren, die Älteren tendierten eher nach Siegsdorf. Plakate wie: »Wer Hunde hat wählt Siegsdorf – wer Kinder hat wählt Ruhpolding!« waren ebenso an der Tagesordnung wie heftige Diskussionen in den Vereinen und Familien. Kurat Josef Hartl musste sogar in einem Schreiben an alle Haushalte eine falsche Aussage auf einem Wurfzettel, über eine angeblich bereits beschlossene Eingliederung der Kuratie Eisenärzt in die Pfarrei Ruhpolding, richtigstellen.

Zudem wurde ein »Wunschzettel« an beide Gemeinden verschickt. Sie sollten sich erklären, ob sie die Forderungen der Gemeinde Eisenärzt bei einer eventuellen Eingemeindung erfüllen wollten oder nicht. Bereits damals verpflichtete sich die Gemeinde Siegsdorf schriftlich, sich nachdrücklich für eine künftige Umgehungsstraße für Eisenärzt einzusetzen, was dann auch im »Eingemeindungsvertrag« festgehalten wurde.

Der Siegsdorfer Ehrenmedaillenträger und damalige Arzter Gemeinderat Otto Stadler berichtete im Gespräch aber auch von besonnenen Aktionen, die mit Fakten und Zahlen für eine zukunftsträchtige Abstimmung warben. Nach seinen Eindrücken hatte der »Wahlkampf«, bis auf wenige Ausnahmen, aber keine dauerhaften Auswirkungen auf die Einigkeit der Dorfgemeinschaft nach der Abstimmung.

Der Eisenärzter Gemeinderat war allerdings rechtlich nicht an das Votum der Bürger gebunden, eine endgültige Entscheidung traf das Gremium dann in der Gemeinderatssitzung am 26. Mai 1971. Mit 7:4 Stimmen schloss sich der Gemeinderat dem Bürgervotum an und beantragte die Eingemeindung nach Siegsdorf. Zudem wurde ein 22 Punkte umfassender Forderungskatalog erstellt und dessen vertragliche Zusicherung vorausgesetzt. Der Siegsdorfer Gemeinderat akzeptierte diesen »Wunschkatalog« und Bürgermeister Matthias Schneller setzte am 1. Oktober 1971 seine Unterschrift unter die Vereinbarung, die der Eisenärzter Bürgermeister Georg Bichler bereits am 1. September 1971 unterzeichnet hatte. Damit konnte man für die »Freiwilligkeit« mit staatlichen Eingemeindungsgeldern in Höhe von 510 000 DM rechnen. Mit der Einwilligung der Regierung von Oberbayern ging damit die seit 1808 bestehende Selbstständigkeit von Eisenärzt am 31. Dezember 1971 zu Ende.

 

»Eheschließung« im Klostergasthof Maria Eck

Am 15. Dezember 1971 traf man sich in der Klostergaststätte Maria Eck zu einem »Festakt anlässlich der Eingemeindung«. Im Beisein von Landrat Leonhard Schmucker trafen sich dabei die Bürgermeister Georg Bichler aus Eisenärzt und Matthias Schneller aus Siegsdorf mit ihren Gemeinderäten und unterzeichneten vor vielen weiteren Gästen den Eingemeindungsvertrag. An Georg Bichler wurde dabei von Landrat Leonhard Schmucker für seine 32 Jahre Amtszeit als Bürgermeister von Eisenärzt die »Goldene Landkreis-Medaille« überreicht.

Die »Hochzeits-Sitzung« von Eisenärzt und Siegsdorf im festlich dekorierten Klostergasthof ließ man sich damals 5200 DM kosten. Zum Jahresende ließ der »letzte Gemeinderat von Eisenärzt« seine Amtszeit am 29. und 30. Dezember mit einer kurzen Sitzung und einer anschließenden »legendären Abschlussfeier« im Hotel »Ruhpoldinger Hof« ausklingen. Eine Original Speisekarte und Anmerkungen von Gemeinderat Johann Looshorn, der zum Festakt in Maria Eck auch ein bemerkenswertes Gedicht beigetragen hatte, zeugen noch heute im umfassenden Archiv des Heimatverein Eisenärzt davon. Bürgermeister Georg Bichler und die Gemeinderäte Josef Bichler, Johann Looshorn und Erich Wostrak wurden als Vertreter von Eisenärzt bestimmt, um die Interessen des eingemeindeten Ortsteiles bis zu den ordentlichen Gemeinderatswahlen im Sommer 1972 in beratender Funktion im Gemeinderat Siegsdorf zu vertreten. Zu den Kommunalwahlen 1972 trat Eisenärzt dann mit einer eigenen Liste »Unabhängige Wählergemeinschaft Eisenärzt« an, konnte mit Josef Skuthan und Lehrer Bartholomäus Klinger allerdings nur zwei Kandidaten im neuen Gemeinderat platzieren.

Eingliederung der Gemeinde Vogling zum 1. Juli 1972

Noch im Mai 1971 gab Voglings Bürgermeister Sepp Neuhauser bei einer Bürgerversammlung unter dem Jubel der Anwesenden einen Beschluss bekannt, wonach der Gemeinderat einstimmig entschieden hatte, dem »Druck von oben« nicht nachzugeben und selbstständig zu bleiben. Aber bereits einige Monate später ermächtigte der Voglinger Gemeinderat seinen ersten Bürgermeister, mit Siegsdorf Gespräche zu führen und die Möglichkeiten einer eventuellen Umgemeindung zu eruieren. Der Gemeinderat Vogling mit 1. BGM Sepp Neuhauser, 2. BGM Johann Abstreiter und den Gemeinderäten Eduard Dufter, Valentin Hunklinger, Albert Mader, Josef Mayer (Frauenstätt), Josef Mayer (Wald), Alfred Schroll und Alois Wimmer legte den Siegsdorfern einen Fragenkatalog vor, zu dem diese eine Stellungnahme abgaben. Die Antworten zu den acht vorgelegten Fragen wurden dann am 19. Februar 1972 in einer Bürgerversammlung den Voglinger Bürgern vorgestellt, der am 20. Februar eine Bürgerbefragung folgte. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 58,3 % entschieden sich dabei 76,6 % der Wählerinnen und Wähler für eine Eingemeindung nach Siegsdorf. 23,4 % lehnten eine Eingliederung grundsätzlich ab. Mit diesem Ergebnis einigten sich die beiden Gemeinden dann auf eine elf Punkte umfassende »Eingliederungs-Vereinbarung«. In dieser wurde in Pkt. 2 festgehalten, die Fördergelder für den dringend notwendigen Bau einer Wasserversorgung im Gemeindegebiet Vogling zu verwenden und mit dem Bau noch 1972 zu beginnen. Bei der Schlussabrechnung sollten die Fördergelder dann als Eigenmittel für die Anlieger angerechnet werden. Mit Bescheid vom 15. März 1972 verfügte die Regierung von Oberbayern die Eingemeindung von Vogling nach Siegsdorf zum 1. Juli 1972 und überwies dafür 184 467 DM »Eingemeindungsgeld«.

Am 30. Juni 1972 wurde daraufhin nach 164-jähriger Selbstständigkeit die Gemeinde Vogling aufgelöst.

Im Rahmen einer »Eingemeindungs-Feier« beim Holznerwirt am Riedl »feierten« die beiden Gemeinderats-Gremien, die Altbürgermeister Stefan Voltzwinkler, Georg Bichler und Xaver Egginger sowie einige Vertreter des Landratsamtes Traunstein den endgültigen Zusammenschluss. Siegsdorfs Bürgermeister Matthias Schneller lobte dabei die Gemeinde Vogling für hervorragende Arbeit beim Straßenbau, dem Schulhaus-Neubau und der Eingliederung des Ferien-, Sport- und Erholungszentrums Vorauf-Feichten und freute sich über 1400 ha zusätzliche Fläche für die Gemeinde Siegsdorf. Landrat Leonhard Schmucker zeichnete zudem Bürgermeister Sepp Neuhauser für »erfolgreiche und kluge Arbeit« mit der Ehrenplakette des Landkreises aus. Der wiederum überreichte in einer schönen Geste, die Eingemeindungs- Urkunde seinem Vorgänger Stefan Voltzwinkler. In der folgenden Wahlperiode vom 1. Juli 1972 bis 30. April 1978 vertraten Sepp Neuhauser und Eduard Dufter die Interessen der Voglinger Bürger im Siegsdorfer Gemeinderat.

Vogling war aber 1972 nicht zum ersten Mal mit Gebietsveränderungen befasst. Bereits 1954 musste der Bürgermeister von Hammer (»um üblen Gerüchten vorzubeugen«) der Nachbargemeinde Vogling schriftlich bestätigen, »dass Hammer nicht dieAbsicht hat, denOrtsteil Riedl der Gemeinde Vogling abspenstig zu machen«. Im Mai 1955 stellte das Landratsamt fest, dass das nach Hochberg gehörige Diezinger-Anwesen (ehemals Zuhaus vom Öder-Hof) in der Ortschaft Pattenau, in Vogling eine Exklave darstelle. Nachdem sich die beiden Gemeinden aber nicht über eine Veränderung einigen konnten, dauerte es bis zum Januar 1971, bis die Regierung von Oberbayern die Umgliederung des Anwesens nach Vogling verfügte. Auch der Ortsteil Grünreit war immer wieder Gegenstand von Anträgen zur Umgemeindung. Bereits 1970 versuchten die betroffenen Bürger aus Grünreit, aus geographischen und infrastrukturellen Gründen, nach Neukirchen umgegliedert zu werden. Dem schloss sich im April 1970 die Gemeinde Neukirchen offiziell an und erweiterte den Antrag noch um ein Anwesen in Weitwies. Beides lehnten damals der Gemeinderat von Vogling und das zuständige Landratsamt jedoch ab.

Leider konnten die Verfasser dieser Zusammenstellung über die Eingemeindung von Vogling keine weiteren Fotos oder Dokumente finden. Sollten im Gemeindebereich Vogling Bilder oder Unterlagen zur Eingemeindung oder auch vom letzten Gemeinderat vorhanden sein, bitte diese dem Gemeindearchiv (Marianne Hunglinger) zur Ablichtung zur Verfügung stellen oder sich dazu mit dem Verfasser in Verbindung zu setzen.

Der südliche Hochberg fällt ebenfalls der Gemeinde Siegsdorf zu

Mit Entschließung vom 4. April 1972 verfügte die Regierung die Eingliederung der Gemeindeteile Aich, Aigen, Bucheck, Hinterwelln, Höll, Königswiesen, Paulfischer, Stein, Vitzthum, Vorderwelln und Wernleiten mit insgesamt 265 Einwohnern nach Siegsdorf.

Auf Grund des immer stärker werdenden Drucks hatte der Gemeinderat Hochberg, mit den beiden Bürgermeistern Josef Schmuck und Josef Zollner, sowie den Gemeinderäten Josef Eckart, Franz Jahner, Max Kurz, Josef Mayer, Alois Schroll, Hermann Steininger und Franz Zaha grundsätzlich einer Gemeindeauflösung zugestimmt und beschlossen, dazu am 19. März 1972 eine Bevölkerungsbefragung durchzuführen. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 60 % stimmten dabei 85 % der Wähler für eine Gemeindeauflösung. Allerdings votierten dabei 102 Stimmen für einen Anschluss nach Traunstein, 91 für Siegsdorf. Daraufhin entschied sich der Gemeinderat für eine Aufteilung nach geographischer Lage, und schlug den nördlichen Teil der Stadt Traunstein und den südlichen Bereich der Gemeinde Siegsdorf zu. Die Grenze verläuft dabei südlich des am höchsten Punkt gelegenen Alpengasthofes. Die 598 Einwohner wurden demzufolge zu 56 % Traunsteiner und zu 44 % Siegsdorfer. Für die »freiwillige Auflösung und Teil-Umgemeindung« nach Siegsdorf gewährte der Staat »Schmerzensgeld« in Höhe von 141 662 DM. Als »Rechtsnachfolger« der ehemaligen Gemeinde Hochberg wurde die Stadt Traunstein bestimmt. Mit einer Feier im Alpengasthof Jahner am Hochberg wurde der historische Akt, im Beisein der Gemeinderatsmitglieder von den Bürgermeistern Matthias Schneller und Josef Schmuck sowie Landrat Leonhard Schmucker besiegelt.

Die endgültige Grenzziehung zog sich dann aber noch einige Jahre in die Länge, bis sich Siegsdorf und Traunstein endgültig über die letzten Details geeinigt hatten. Und auch die Bereinigung der Grundstücks-Besitzverhältnisse brauchte noch geraume Zeit bis zum finalen Abschluss.
 

Quelle: Chronik und Archiv Gemeinde Siegsdorf, Unterlagen Heimatvereins Eisenärzt / Manfred Guggelberger, Verfasser der Zusammenfassung: Franz Krammer